Hochschulweiter Diskurs über Machtmissbrauch moderiert
- TU News
Prof. Daniel Leising erklärte, dass Macht dann missbraucht wird, wenn sie in den Dienst anderer Ziele gestellt wird – zum eigenen Vorteil und auf Kosten anderer. Formen von Machtmissbrauch wie die Ausbeutung von Untergebenen, die Veruntreuung von Geldern, Mobbing oder sexuelle Belästigung können in allen Unternehmen und Institutionen vorkommen. An Hochschulen könne darüber hinaus wissenschaftliches Fehlverhalten in Form von Aneignung geistigen Eigentums, Anstiftung zu Datenmanipulation oder Falschzuschreibungen von Autorenschaft hinzukommen.
Die Ahndung sei oft schwierig, erläuterte Prof. Leising, der seit über zehn Jahren zu dem Thema forscht. Problematisch sei zum einen die Beurteilung, ab wann eine missbräuchliche Machtausübung vorliege und wie groß der Schaden sei. Zum anderen fehle oft eine rechtliche Handhabe. Hinzu komme, dass Institutionen bisweilen ein Interesse daran hätten, Täter*innen zu schützen. Der mit Abstand häufigste Grund, warum Täter*innen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, sei aber, dass Betroffene aus Angst schweigen.
Dilemma der Anonymität
Diese Problematik war auch eines der zentralen Themen in der anschließenden Paneldiskussion mit Prof. Daniel Leising, Prof. Petra Wiederkehr (Prorektorin Diversität), Prof. Manfred Bayer (Rektor), Laura Marklewitz (Autonomes Behindertenreferat und AStA-Referentin für Soziales), Melanie Kozub (Vorsitzende des nichtwissenschaftlichen Personalrats) und Dr. Anja Szypulski (Vorsitzende des wissenschaftlichen Personalrats). Aus Sorge vor negativen Folgen trauen sich Betroffene oft nicht, namentlich in Erscheinung zu treten und ihre Vorwürfe zu dokumentieren. Dies wurde auch in den Padlet-Beiträgen des Forums Machtmissbrauch deutlich, das als anonymes Beteiligungsformat schon im Vorfeld der Veranstaltung rege genutzt wurde, sowie in den Beiträgen aus dem Publikum. Während ein Wunsch nach Anonymität von allen Anlaufstellen der Hochschule bei gemeldeten Fällen von Machtmissbrauch respektiert wird, macht dieser Wunsch es zugleich regelmäßig unmöglich, gegen die Beschuldigten vorzugehen oder gar rechtliche Schritte einzuleiten.
Neue Handlungsoptionen könnte hier eine Novelle des Hochschulgesetzes NRW eröffnen. Mit dem Entwurf für das „Hochschulstärkungsgesetz“, den das Kabinett Anfang Oktober verabschiedet hat, sollen Hochschulen zukünftig einen umfangreichen Instrumentenkasten jenseits des Disziplinarrechts erhalten, um bei hinreichend belastbaren Vorwürfen sofort Maßnahmen ergreifen zu können. So sollen Betroffene schon während eines laufenden Verfahrens besser geschützt werden. Zudem sollen dadurch auch Verstöße gegen die Redlichkeit wissenschaftlichen Arbeitens angemessen geahndet werden können. Dies teilte das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in einer Pressemitteilung zum Referentenentwurf für das Hochschulstärkungsgesetz mit. Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die Hochschulen in NRW in einer gemeinsamen Erklärung dazu verpflichtet, jedem Hinweis auf Machtmissbrauch entschlossen nachzugehen sowie entsprechende Vorfälle konsequent zu ahnden. Die Selbstverpflichtung sieht unter anderem vor, dass die Hochschulen ihre Mitglieder für das Thema sensibilisieren, über Angebote informieren sowie Konzepte für Interventionen und Sanktionen weiterentwickeln.
TU Dortmund hat bereits Maßnahmen ergriffen
In der Diskussion wurde sichtbar, dass die TU Dortmund bereits mehrere Maßnahmen ergriffen und Strukturen aufgebaut hat: So muss bei Promotionsvorhaben inzwischen verpflichtend eine Betreuungsvereinbarung zwischen Promovend*in und Betreuer*innen geschlossen werden. Einige Fakultäten entwickeln derzeit einen eigenen Code of Conduct. Neben etablierten Anlaufstellen wie dem AStA für Studierende und den beiden Personalräten für die wissenschaftlich und nichtwissenschaftlich Beschäftigten hat die Universität im vergangenen Jahr zudem eine zentrale Beratungsstelle zum Schutz vor Diskriminierung und vor sexualisierter Gewalt (SchuDS) eingerichtet. Auch wurde in der Runde von einzelnen Konfliktfällen berichtet, in denen erfolgreich Lösungen gefunden werden konnten, etwa indem durch Gespräche bei den Beschuldigten ein Umdenken stattgefunden hat oder durch eine Versetzung Täter*innen und Betroffene getrennt wurden.
Zugleich waren sich die Beteiligten der Paneldiskussion einig, dass weiterhin Handlungsbedarf bestehe, um Machtmissbrauch entgegenzuwirken, und der hochschulweite Austausch hierzu kontinuierlich fortgesetzt werden solle. „Wir möchten allen TU-Mitgliedern gute und faire Arbeits- bzw. Studienbedingungen bieten und Themen wie Machtmissbrauch proaktiv angehen, statt erst zu handeln, wenn Probleme auftauchen“, sagte Rektor Prof. Manfred Bayer. Prof. Petra Wiederkehr, Prorektorin Diversität, ergänzte: „Unser Ziel ist es, zu sensibilisieren und Prozesse anzustoßen. Sollten Sie Anliegen haben, sprechen Sie uns gerne an.“
Zur AG Machtmissbrauch
Auf Initiative des Rektors hat sich 2023 die AG Machtmissbrauch konstituiert. Hier treten die verschiedenen Beratungs- und Anlaufstellen der TU Dortmund in den Austausch, um eine möglichst breite Perspektive auf das vielschichtige Thema einzunehmen. Vertreten sind: die Personalräte, die Schwerbehindertenvertretung, die Gleichstellungsbeauftragte, die Stabsstelle Chancengleichheit, Familie und Vielfalt mit der Beratungsstelle zum Schutz vor Diskriminierung und vor sexualisierter Gewalt, die Abteilung Personalentwicklung, die AGG-Beschwerdestelle, die Inklusionsbeauftragte, das Zentrale Beschwerdemanagement, das Zentrum für HochschulBildung / DoBuS, das Graduiertenzentrum und der AStA.