„Wir reden viel zu wenig über den CO2-Fußabdruck der IT-Branche“
- TU News
Wer seinen CO2-Fußabdruck senken möchte, wird vermutlich versuchen, weniger zu fliegen, mehr pflanzliche sowie regionale Lebensmittel zu essen oder vielleicht auch nicht mehr so viel zu shoppen. An die Nutzung ihrer Smartphones, Laptops und Fernseher denken viele jedoch nicht. „Wir reden viel zu wenig über den CO2-Fußabdruck der IT-Branche“, sagte auch Yelle Lieder während seines Vortrags auf dem TU-Campus. Der IT-Bereich verursache weltweit vier Prozent der CO2-Emissionen, was jetzt schon mehr sei als der globale Flugverkehr, so Lieder. Die großen Rechenzentren, die das Internet möglich machen, aber auch die Nutzung von KI-Anwendungen, Virtual und Augmented Reality oder Technologien wie Blockchain benötigen viele Ressourcen.
Längst kein Nischenthema mehr
Das Thema „Green IT“ – also die ressourcenschonende Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnik – ist längst raus aus der Nische, auch die Bundesregierung hat eine Green-IT-Initiative gestartet. Nachhaltigkeit ist für Unternehmen zudem lukrativ, zum Beispiel durch Energieeinsparungen, aber auch, weil Kund*innen verstärkt darauf achten und die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien bei Ausschreibungen ausschlaggebend sein kann.
Was also kann ein IT- und Software-Unternehmen tun, um seinen Abdruck zu verringern? Ein erster Schritt sei, keine überkomplexen Lösungen anzubieten, sondern nur das, was Kund*innen bräuchten. Auch vermeintlich kleine Anpassungen könnten große Effekte haben, erklärte Lieder am Beispiel des Content-Management-Systems Wordpress, das weltweit von etwa einem Drittel aller Webseiten genutzt werde. Eine kleine Software-Änderung führte global zu einer Einsparung von 400 Tonnen CO2. Eine flexible IT-Architektur könne darüber hinaus energieeffizient gestaltet werden, beispielsweise, indem nicht zeitkritische Aufgaben wie Synchronisierung oder die Installation von Updates dann stattfinden, wenn gerade viel grüner Strom zur Verfügung steht.
Dilemma zwischen Effizienz und höherem Verbrauch
Die Branche stehe jedoch auch vor Dilemmas wie dem Rebound-Effekt. So sei der 5G-Mobilfunkstandard energieeffizienter als sein Vorgänger 4G und biete somit eigentlich ein großes Energie-Einsparpotenzial. Das 5G-Netz sei dadurch jedoch auch günstiger und schneller, weshalb es mehr Nutzer*innen gebe. Somit werde letztendlich mehr Energie verbraucht als eingespart.
„Die Lösung kann jedoch nicht sein, dass wir aufhören, zu digitalisieren“, fuhr Yelle Lieder fort. Denn Digitalisierung habe nicht nur einen Fußabdruck, sondern auch einen Handabdruck, also einen positiven Umwelteinfluss. Als Beispiel nannte er Digitale Zwillinge, also virtuelle Abbildungen eines Objekts oder eines Systems. Damit ließen sich unter anderem Medikamente ohne physische Prototypen entwickeln und optimieren, was den Materialverbrauch erheblich reduziere.
Im Anschluss an den Vortrag nutzten zahlreiche Interessierte, die zu der Veranstaltung ins Seminarraumgebäude gekommen waren, die Möglichkeit, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen und Fragen zu stellen. Auf die Frage, welchen Beitrag Hochschulen leisten könnten, antwortete Lieder, dass sich bislang nur eine Handvoll Hochschulen in Deutschland mit nachhaltiger Informatik beschäftigten. „Da muss auch in den Hochschulen mehr passieren. Es sollte nicht möglich sein, dass jemand einen Uni-Abschluss hat, ohne mit dem Thema Nachhaltigkeit in Berührung gekommen zu sein.“
Der gemeinsame Austausch wurde anschließend bei Essen und Getränken weiter fortgesetzt. Der nächste Zukunftsdialog wird im November stattfinden.