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Spotlight Forschung

„Komplexe Forschungsideen einfach zu erklären ist nicht leicht – aber es lohnt sich!“

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Das Porträtfoto zeigt Prof. Angela Madeo. Sie hat blonde, mittellange Haare und trägt ein blau-weißes Oberteil. Im Hintergrund sind verschwommen Büsche und Baumstämme erkennbar. © Martina Hengesbach​/​TU Dortmund
Prof. Angela Madeo ist seit 2021 Professorin für Baumechanik an der TU Dortmund.
Prof. Angela Madeo erforscht an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen neue Materialien. Für ihr Projekt META-LEGO hat sie 2021 erfolgreich den Consolidator Grant des European Research Councils (ERC) eingeworben, eine Förderung für besonders exzellente und innovative Projektideen. Im Interview spricht sie über Materialien der Zukunft und ihre Erfahrungen mit der Antragstellung in einem hochkompetitiven Format.

Frau Prof. Madeo, womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?

Ich forsche vor allem zu sogenannten Metamaterialien – das sind künstlich hergestellte Stoffe, die durch bestimmte innere Muster oder Strukturen neue und sehr interessante Eigenschaften aufweisen. Zum Beispiel erhält man elastisches Material, das sich beim Auseinanderziehen in der Mitte ausdehnt anstatt dünner zu werden. Andere Substanzen können Schall- oder Lichtwellen in bestimmten Frequenzen blocken, ableiten oder umwandeln. Mit meinem Team habe ich ein Material entwickelt, das mechanische Wellen absorbiert – würde man mit einem Hammer auf eine Seite schlagen, wären auf der anderen Seite keinerlei Vibrationen zu spüren. Regelmäßig erfinden Wissenschaftler*innen neue Metamaterialien. Das Problem liegt aber in der praktischen Umsetzung: Denn all diese Eigenschaften werden in Simulationen berechnet, die von einer unendlichen Ausdehnung solcher Metamaterialien ausgehen. In der Realität enden diese Strukturen aber natürlich und müssen irgendwie mit anderen Materialien verbunden werden. Dadurch ändern sich die Eigenschaften signifikant und oft in unvorhersehbarer Weise.

Ist daraus auch die Idee für Ihr Projekt META-LEGO entstanden?

Ganz genau. Um Metamaterialien wirklich herstellen zu können, müssen wir ihre Eigenschaften auch in Verbindung mit anderen Materialien simulieren, also unter realistischen Bedingungen. In der Realität sind Strukturen, in denen Metamaterialien verbaut werden, aber sehr groß – eine Simulation würde unglaublich viel Rechenkapazität benötigen und viel zu lange dauern. Daher forschen wir an neuen Simulationsmodellen: Diese reduzieren die Parameter und sparen viel Rechenleistung, sind aber immer noch annähernd so präzise wie die klassischen Modelle. Dies ermöglicht uns erstmals, die Eigenschaften von Metamaterialien in einem realistischen Umfeld zu berechnen. Wir konnten sogar bereits zeigen, dass Grenzflächen zwischen den Materialien einen erheblichen Einfluss haben, der in künftigen Simulationen erstmals berücksichtigt werden kann – ein Erfolg, mit dem ich zum Zeitpunkt der Antragstellung gar nicht gerechnet habe.

Wie haben Sie sich auf die Bewerbung um einen ERC Consolidator Grant vorbereitet?

Die größte Herausforderung bestand für mich darin, meine Forschung so zu erklären, dass sie auch für Laien verständlich ist. Das erfordert schon ein Umdenken: Viele Wissenschaftler*innen sind tagtäglich mit komplexen Gleichungen, Simulationen oder Fachbegriffen beschäftigt, die selbst innerhalb der eigenen Disziplin nicht allen geläufig sind. Ich habe deshalb viel Zeit und Mühe darauf verwendet, mir Erklärungen und Beispiele zu überlegen, kurze Texte und Satzbausteine zu schreiben, um die komplexen wissenschaftlichen Ideen dahinter für alle verständlich zu machen. Das würde ich auch allen empfehlen, die sich auf einen ERC Grant bewerben wollen, denn dort wird der Antrag zunächst in einem interdisziplinären Panel geprüft. Das Interview später war dann nochmal eine besondere Herausforderung: In Corona-Zeiten fand es online statt und ich hatte nur drei Minuten, um meine Idee zu präsentieren. Ich bin froh, dass ich das vorher gut geübt habe. Letztlich hat dieses Nachdenken darüber, wie ich meine Forschung gut erklären kann, zwar viel Arbeit gemacht – gelohnt hat es sich aber auf jeden Fall, auch über den Antrag hinaus.

Zur Person:

  • 2005–2009 Studium Ingenieurwesen in Rom, Italien sowie Blacksburg, USA
  • 2005–2009 Promotion an der Universität La Sapienza in Rom, Italien
  • 2010–2017 Associate Professor am Institut National des Sciences Appliquées (INSA) in Lyon, Frankreich
  • 2015 Bronze Medal Award des Centre National de la Recherche Scientifique, Frankreich
  • 2016–2021 Mitgliedschaft im Institut Universitaire, Frankreich
  • 2017–2021 Professur INSA in Lyon, Frankreich
  • seit 2021 Förderung des Projektes META-LEGO mit einem ERC Consolidator Grant
  • seit 2021 Professur Baumechanik an der TU Dortmund

Weiterführende Informationen:

Förderberatung des Referats Forschungsförderung der TU Dortmund
Grants des European Research Councils (ERC)

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