„Die TU Dortmund sollte beispielgebend sein“
- TU News
Wie können Universitäten dazu beitragen, die Pariser Klimaziele einzuhalten? Dr. Robert Temminghoff und Luise Weickhmann von den Scientists for Future Dortmund haben mit TU-Rektor Prof. Manfred Bayer über die Nachhaltigkeitsstrategie der TU Dortmund gesprochen. Ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe der mundo, des Forschungsmagazins der TU Dortmund.
Scientists for Future (S4F) ist ein überregionaler, überparteilicher Zusammenschluss von Wissenschaft-ler*innen unterschiedlichster Disziplinen, der sich für Aufklärung über die globale Klima-, Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitskrise einsetzt. Ziel ist es, den wissenschaftlich fundierten Austausch in der gesellschaftlichen Debatte um Nachhaltigkeit und Klimawandel zu stärken.
Zwei Mitglieder der Dortmunder Regionalgruppe der S4F haben sich anlässlich der Eröffnung des Nachhaltigkeitsbüros an der TU Dortmund mit Rektor Prof. Manfred Bayer getroffen, um mit ihm über eine nachhaltige Universität im Zeichen des Klimawandels zu sprechen. Das Interview führten der Physiker Dr. Robert Temminghoff und die Informatikerin Luise Weickhmann.
Herr Bayer, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Sie?
Sowohl für mich persönlich als auch an der TU Dortmund hat Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert. Nicht zuletzt deshalb haben das Rektorat und der Senat im Mai 2021 eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet, über die das Thema in alle Ebenen der TU Dortmund getragen wird. Wichtig ist mir dabei, unterschiedliche Formen von Nachhaltigkeit zu verbinden.
Wir sprechen aus gutem Grund auch von Nachhaltigkeit als sozialer, gesellschaftsbezogener Verantwortung – obwohl der Schutz der Umwelt zentral bleibt. Einzelne soziale Aktivitäten sind durch die Corona-Pandemie gebremst worden; wir werden sie später wieder stärker aufgreifen.
Gemeinsame Pflanzaktionen etwa werden wir an späterer Stelle wieder stärker aufgreifen. Ein wichtiges Thema im Umweltschutz ist aktuell auch, den CO2-Ausstoß von Dienstreisen zu kompensieren. Das ist immer noch schwierig, denn als Universität sind wir an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gebunden. Immerhin ist es mittlerweile möglich, über Drittmittelgeber Kompensationen geltend zu machen.
Durch den Verbrauch des CO2-Budgets werden implizit zukünftige Generationen eingeschränkt. Wie kann die TU Dortmund dabei helfen, die Pariser Klimaziele zu erreichen?
Sicher sind wir eher ein kleiner Player im Vergleich zu bestimmten Wirtschaftsbereichen. Trotzdem sehe ich viele mögliche Beiträge seitens der Universität: Zunächst bilden wir Menschen aus und sollten im Rahmen dieser Ausbildung auch ein Bewusstsein für die genannten Themen schaffen.
Es ist zwar nicht in jedem Einzelfall sinnvoll, solche Fragen in Lehrprogramme zu integrieren – denken Sie zum Beispiel an Vorlesungen zur Quantenmechanik. Realisierbar ist dies aber etwa durch das Studium Generale oder fakultätsübergreifende Veranstaltungen, auch im Nebenfachbereich; hier lässt sich das Angebot noch erweitern.
Es gibt bereits externe Online-Kurse, die dafür geeignet wären. Sehen Sie die Möglichkeit, dass Studierende sich derartige Kurse zukünftig anrechnen lassen können?
Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen. Es gab und gibt allerdings auch seitens der TU Dortmund entsprechende Veranstaltungen, gerade im Wintersemester 2020/21 habe ich etwa die Ringvorlesung „Klima: Wandel, Werte, Wissenschaft“ eröffnet – eine sehr beliebte Veranstaltung. In die Vorlesung integriert waren mehrere Vorträge der Scientists for Future. Neu im Wintersemester 2021/22 ist auch ein thematisch einschlägiger Zertifikatsstudiengang, das „Studium Oecologicum“, das Studierenden der TU Dortmund eine Möglichkeit zur persönlichen Kompetenzentwicklung im Bereich Nachhaltigkeit gibt.
Wenn man über die Lehre hinausdenkt – was tut die TU Dortmund sonst noch für Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Mehrere Wissenschaftsdisziplinen der TU Dortmund arbeiten unmittelbar an nachhaltigkeitsrelevanten Fragestellungen. Beispiele dafür sind die Elektrotechnik mit ihren Schwerpunkten auf der Elektromobilität und der Energiewende oder das Thema nachhaltiges Bauen im Bauingenieurwesen.
Wichtig ist die Wissenschaftskommunikation. Ich sehe gerade uns als TU Dortmund hier in der Verantwortung, weil wir eine der wenigen Universitäten sind, die dezidiert auch Journalist*innen ausbilden.
Und in konkreten Projekten sollten wir selbst ein gutes Vorbild sein, auch im vermeintlich Kleinen. Den Papierverbrauch zu reduzieren oder auf umweltfreundliches Papier umzustellen, macht beispielsweise viel aus. Mit der elektronischen Abgabe der Abschlussarbeiten haben wir da einiges erreicht.
Gleichwohl leiden wir darunter, dass diverse alte Gebäude zur TU Dortmund gehören, die jedoch nicht der Universität gehören, sondern Eigentum des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW. Daher können wir beispielsweise nicht ohne Weiteres auf jedem Dach Photovoltaikanlagen installieren. Im Dezember 2020 ist aber zum Beispiel eine neue Anlage auf dem Dach der Versuchshalle des Instituts für Spanende Fertigung am Campus Süd in Betrieb gegangen.
Also würden Sie sagen, dass da das Land nachziehen muss, damit Sie als Vertretung der Universität hier wirklich etwas ändern können?
In vielerlei Hinsicht ja, auch dazu stehen wir bereits im Austausch. Aber nach wie vor sind wir an möglichst wirtschaftliches Bauen gebunden. Dass diese Regelungen Nachhaltigkeitsmaßnahmen teils ausschließen, ist insofern unglücklich, als nach den Baukosten natürlich die Betriebskosten von Gebäuden über einige Jahrzehnte zu betrachten sind; hier amortisieren sich Kosten oft durch umwelttechnisch günstige Maßnahmen.
Unabhängig von dem wirtschaftlichen Aspekt wäre es für eine Universität sicherlich interessant, Projekte mit Modellcharakter umzusetzen und so zu zeigen, was möglich ist.
Absolut, es gab und gibt etwa auch Projekte der Dortmunder Bauingenieur*innen, die ökologische und nachhaltige Baumaterialien erforschen. Aber auch auf dem Campus können wir viel machen. Hier sind – nach Gesprächen mit dem AStA – etwa Urban Gardening-Projekte oder Insekten- und Vogelmauern angedacht. Wir sind gerade auch für Ideen Studierender offen.
Welchen direkten Kontakt hatten Sie mit Projekten, die Nachhaltigkeit an der TU Dortmund umsetzen wollen, und inwiefern beschäftigt Sie das Thema im Alltag?
In meinem privaten Alltag bemühe ich mich um ein nachhaltiges Verhalten. Ich habe zum Beispiel kein Auto und fahre mit der Bahn in den Urlaub. Öfters beteiligt war ich etwa an Aufräumaktionen in Parks. Im März 2020 hat die Fakultät Physik zusammen mit den Scientists for Future Bäume im Rombergpark gepflanzt – es gibt also ganz unterschiedliche Einzelaktionen.
Sind zukünftig weitere Aktionen dieser Art geplant?
Das Bäumepflanzen möchten wir wiederholen, sobald es möglich ist. Kleine Aktionen dieser Art gibt es recht viele. Was bisher gefehlt hat, war eine Stelle zur Koordination von Aktivitäten und zur Sammlung von Informationen. Deshalb haben wir jetzt ein Nachhaltigkeitsbüro eingerichtet, das Bastian Stahlbuck koordiniert und Henning Moldenhauer leitet. Dort werden Ideen für Aktionen und Vorgehensweisen gesammelt.
Zugleich hilft es, die richtigen Ansprechpersonen zu erreichen und unterstützt auch in der Organisation personeller und finanzieller Ressourcen. Mit dem Nachhaltigkeitsbüro haben wir zudem Räume geschaffen, in denen Interessierte sich – auch an den Wochenenden oder in den Abendstunden – treffen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen können. Zusätzlich unterstützen übrigens diverse Stiftungen Nachhaltigkeitsprojekte und stellen Gelder zur Verfügung – auch hier kann das Nachhaltigkeitsbüro weiterhelfen.
Sie haben bereits angesprochen, wie wichtig Zusammenarbeit beim Thema Nachhaltigkeit ist. Wo sehen Sie Möglichkeiten des Zusammenspiels der TU Dortmund mit der Stadt?
Wir sind ein Teil der Stadt, insofern geht es vielfach um Arbeit miteinander. Die TU Dortmund ist konkret etwa an der Leitstelle Energiewende Dortmund beteiligt – schließlich forschen Expert*innen aus diesen Bereichen bei uns. Wir beteiligen uns unter anderem auch an der „Smart City Dortmund“ im Rahmen des Masterplans Energiewende. Hier sind auch regenerative Energiequellen Thema.
Wir sind als TU Dortmund Teil eines großen Ganzen und sollten beispielgebend sein – in Sachen Expertise, Hilfsbereitschaft, Know-how und Kommunikation, aber auch mit konkreten Beispielprojekten wie dem Blockheizkraftwerk auf dem Campus, das einen Wirkungsgrad von 90 Prozent erreicht und somit besonders ressourcensparend ist.
Welche Möglichkeiten gibt es darüber hinaus, auf dem Campus Energie zu sparen?
Labore könnten beispielsweise in Untergeschossen untergebracht werden, in denen sie nicht extremen Wärmelasten ausgesetzt sind. Wir haben sehr energieaufwändige Forschungsanlagen, die betrieben werden müssen. Hier sollte das Ziel sein, ‚grünen‘ Strom zu verwenden, wenn es wirtschaftlich vertretbar ist. Zur Umstellung auf grünen Strom bis 2025 haben wir uns auch explizit verpflichtet, ebenso auf konsequente Energiesparmaßnahmen.
Für Studierende wäre es schön, wenn sie auch draußen lernen oder arbeiten könnten. Wie stehen Sie zu der Idee?
Darüber haben wir auch nachgedacht. Beispielsweise könnte man Zonen mit Hörsälen im Grünen generieren. Solche Projekte kosten Geld, aber warum nicht?
Ein Fazit unseres Gesprächs könnte sein: Es gibt viele Schritte und Ideen, die in die richtige Richtung gehen. Bleibt die Frage, ob wir schnell genug gehen.
Das ist richtig. Es gibt einen zeitlichen Handlungsdruck. Mir ist aber auch wichtig, möglichst viele Mitglieder der TU Dortmund mitzunehmen. Nur dann erreichen wir längerfristig das nötige Tempo. Auch hier wird das neue Nachhaltigkeitsbüro die Ziele der TU Dortmund unterstützen.
Können Sie sich vorstellen, dass die TU Dortmund zu Ihrer Amtszeit noch klimaneutral werden könnte?
Es wäre schön. Versprechungen sind schwierig, aber wir sollten den Weg konsequent weiter gehen und täglich daran arbeiten. Ich würde sagen: Ärmel hochkrempeln und loslegen.
Mitarbeit: Henning Moldenhauer
Dies ist ein Beitrag aus der mundo, dem Forschungsmagazin der TU Dortmund.