Gewappnet für eine coole Zukunft
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Das Verbundprojekt „iResilience“ will einen Beitrag leisten, Städte mit Hilfe intelligenter Infrastrukturen und sozialen Innovationen widerstandsfähig gegen Hitze und Starkregen zu machen.
Die Sommer werden heißer, Starkregen und Stürme wüten auch in Städten – wie die Überflutungen in Deutschland, Belgien und Österreich im Juli aktuell gezeigt haben. Das interdisziplinäre Projekt „iResilience“ unter Leitung der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund (sfs) beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Menschen auf die extremer werdenden Bedingungen vorbereiten können.
Die Folgen des Klimawandels wirken sich in Städten besonders heftig aus. Dichte Bebauung, spärliches Grün und versiegelte Flächen können Hitze und Wassermassen wenig entgegensetzen. Dies wurde im Sommer 2021 durch das Tief „Bernd“ deutlich, das besonders in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas für schwere Sturzfluten und Überschwemmungen sorgte. Dabei wurden zahlreiche Häuser, Brücken und Straßen zerstört oder beschädigt, mehr als 180 Menschen kamen in Deutschland ums Leben.
Klimaresilienz steigern
Mit welchen Strategien sich die Menschen dennoch gegen die Herausforderungen des Klimawandels wappnen können, untersucht ein 2018 gestartetes Verbundprojekt unter Federführung der Sozialforschungsstelle der TU Dortmund. Unter Leitung von Stephanie Bund arbeitet die sfs zusammen mit den Städten Dortmund und Köln an der Entwicklung und Erprobung neuer Praktiken und Technologien zur Verbesserung der urbanen, klimaangepassten Widerstandskraft: der Resilienz.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „iResilience – Soziale Innovationen und intelligente Stadtinfrastrukturen für die resiliente Stadt der Zukunft“ nimmt vor allem drei Themen in den Fokus: Hitzevorsorge, Überflutungsvorsorge und die Förderung von urbanem Grün. Es sollen Maßnahmen entwickelt und erprobt werden, die die vielfältigen Konzepte der Städte in Dortmund und Köln ergänzen und mit deren Hilfe die Klimaresilienz der Städte gestärkt werden kann – auf nachhaltige und umweltgerechte Weise. So soll gleichzeitig die Lebensqualität in den urbanen Vierteln steigen.
In drei Reallaboren werden neue Herangehensweisen getestet
Im Rahmen des Projekts werden unscheinbare Kästen an Laternenmasten im Dortmunder Hafenquartier Teil einer großen Sache: dem Umgang der Menschen mit belastenden Klimabedingungen wie mit Hitze, Starkregen und Trockenheit. Stephanie Bund: „Es geht um vorausschauende Anpassung. Wir wollen herausfinden, was technische Lösungen in Verbindung mit oftmals kleinen Verhaltensänderungen bewirken können und was jeder Einzelne tun kann.“ Das Thema Klimawandel betreffe jede und jeden, und die Auswirkungen haben viele Dimensionen.
Das Dortmunder Hafenquartier ist eines von drei Forschungsquartieren. Dort wurden 30 Sensoren an Straßenlaternen angebracht, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen. Die Daten gehen per Funk an eine städtische Plattform und sollen zukünftig ein Beitrag zur „Smart City Dortmund“ sein. Die kontinuierliche Auswertung der Messdaten ermöglicht die Erstellung tagesaktueller Klimakarten. An besonders heißen Tagen könnten Bürger*innen zukünftig gewarnt und auf schattigere Wege durchs Quartier hingewiesen werden.
Neben der Innenstadt-Nord gehören das Jungferntal als zweiter Dortmunder Standort sowie Köln-Deutz zu den Reallaboren von „iResilience“. In diesen Pilot-Stadtteilen werden neue Kooperationsformen zwischen Wissenschaft, Praxis und weiteren relevanten Akteuren erprobt. Die Beteiligten lernen voneinander und stoßen damit einen sozialen Wandel an. In allen drei Quartieren arbeiten Verwaltung und Wissenschaft gemeinsam mit den Bürger*innen an dem Klima-Thema. Es geht darum, langfristig Hitze- und Überflutungsprävention mit einer lebenswerten Gestaltung der Wohnumgebung zu verbinden.
Bei den Projekt-Städten Köln und Dortmund arbeitet jeweils eine Vollzeitkraft, finanziert aus den Fördermitteln, im Projekt „iResilience“ und nimmt darüber hinaus die Schnittstelle zu städtischen Stellen wie Umweltamt und Stadtentwässerungsbetrieben und zum Dortmunder Projekt „nordwärts“ ein. Zudem sind das Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft ie³ der TU Dortmund mit im Boot sowie das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) als Co-Koordinator der Reallaborprozesse in Köln, das Forschungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen und der Bereich Architektur und Landschaft der HafenCity Universität Hamburg als Partner für urbanes Grün. Ein Ingenieurbüro ergänzt das Team für fachplanerische Fragestellungen. „Wir fangen nicht bei Null an“, sagt Stephanie Bund, „und wir sind ein sehr interdisziplinäres Team, welches die Quartiere mit Fachwissen und Methoden unterstützt, neuartige Formate moderiert sowie die Kommunikation zwischen den Akteuren fördert. Das zeichnet das Projekt aus.“
Neue Formen der Zusammenarbeit
Um die mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme besser lösen zu können, setzt das Projekt bei den Menschen an. Soziale Innovationen werden in der Zielbeschreibung genannt. Hinter der abstrakten Bezeichnung stehen Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, die auf neue Art zusammenarbeiten. Städtische Verwaltung, Quartiersmanagement, Wohnungsgenossenschaften sowie Gewerbetreibende und Hauseigentümer*innen vernetzen sich und entwickeln gemeinsam Aktivitäten und Lösungen. Daraus entstehen neuartige Formen der Zusammenarbeit und viele kleine Bausteine – wie die Begrünung eines Hinterhofs, den eigenen Keller überflutungssicher zu machen oder Schattenwege an heißen Tagen zu nutzen, die zur Stärkung der Resilienz beitragen.
Aber auch digitale Innovationen sollen zur Verbesserung der Situation beitragen. Dabei kommen beispielsweise die im Februar 2021 installierten Sensoren aus der Dortmunder Nordstadt ins Spiel. Über eine App, die sich aktuell in der Entwicklung befindet, können die eingespeisten Messdaten die Bürger*innen darüber informieren, wie heiß es an einem bestimmten Standort ist. Gleichzeitig können die Nutzer*innen Angaben einspeisen, um die gefühlte Temperatur näher zu bestimmen. Diese Maßnahme will vermeiden, dass im Zuge des demografischen Wandels zukünftig die Zahl der Hitzetoten zunimmt. Vulnerable Gruppen werden rechtzeitig vor belastenden Temperaturen gewarnt und mit alternativen Routen versorgt.
Das Thema Hitzevorsorge finde bislang in der Öffentlichkeit zu wenig Beachtung, meint Stephanie Bund. Das Projekt soll dafür sensibilisieren, beispielsweise in Seniorenheimen. „Häufig geht es um kleine Dinge, etwa wie viel Wasser man an Hitzetagen trinken muss.“ Die App soll ein Element sein, durch eine optimale Verfügbarkeit von Klima und Vorsorgeinformationen den problematischen Folgen des Klimawandels zu begegnen.
„Wer vor Ort wohnt, weiß mehr“
Das Projektteam von „iResilience“ fungiert dabei als Moderator. Es unterstützt die Pilotquartiere mit Fach- und Methodenwissen, initiiert lokale Aktionsgruppen und begleitet und dokumentiert Veranstaltungen, die sich gezielt mit bestimmten Themen auseinandersetzen. Das Team hilft Hauseigentümer*innen, die ihren Hinterhof entsiegeln und bepflanzen wollen, sich mit Vertreter*innen der Stadt und des Quartiersmanagements zusammenzusetzen und zu überlegen, was möglich ist und welche Fördergelder eventuell genutzt werden können. „Das Beispiel zeigt, dass unsere Themen miteinander verbunden sind: Mehr Grün sorgt für ein besseres Mikroklima und bessere Hitzevorsorge, und gleichzeitig entsteht weniger Stauwasser.“
Bereits an der Auftaktveranstaltung im Sommer 2019 nahmen rund 50 Interessierte teil. Seitdem organisierte das Team mehrere Veranstaltungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, einige davon liefen bedingt durch die Corona-Pandemie in digitaler Form. Input dazu kommt von Fachleuten, dann werden Ideen weiterentwickelt, und zwar gemeinsam mit den Bewohner*innen. Stephanie Bund: „Wer vor Ort wohnt, weiß mehr.“ Das Projektteam bringt alle Akteur*innen an einen Tisch und lenkt das Verfahren.
Allein im Hafenquartier trugen die Beteiligten 170 Ideen zusammen. So entstand ein Zukunftsbild (siehe Beitragsbild oben), das zur virtuellen Diskussion gestellt und weiterentwickelt wird. Dadurch wächst eine Vision, wie ein klimarobustes Quartier im Jahr 2040 aussehen könnte. Die grafische Darstellung zeigt einen grünen Schulhof, Wildblumenwiesen, umgestaltete Hinterhöfe, Regenspeicher für alle Anwohner*innen und viele Beispiele für Urban Gardening wie Pocketparks, also kleine Parkanlagen.
Roadmap hilft bei der Umsetzung
Aus dieser Vision entwickelt sich eine Roadmap, eine Art Fahrplan zu dem angesteuerten Ziel eines klimarobusten Quartiers. In jedem der drei Pilotquartiere wird so ein Rahmenplan entwickelt, an dem sich eine an das Forschungsprojekt anschließende Umsetzung orientieren kann. „Wir schaffen dafür die Grundlagen. Wir gehen aber nicht selbst mit dem Bagger in die Hinterhöfe“, sagt Bund.
Neuartige Kooperationen sind das Besondere an diesem Projekt. Es vernetzt verschiedene Stellen und Ämter, um gemeinsam Dinge auf den Weg zu bringen. Dabei spielen die projektzugehörigen Kräfte bei der Stadt eine wichtige Rolle für die Koordination. Sollen etwa in einer besonders hitzeexponierten Straße Bäume gepflanzt werden, können die Projektmitglieder Kosten, Finanzierung und Machbarkeit auf kurzem Weg mit den jeweils Zuständigen klären.
Ein wichtiger Bereich der Forschungstätigkeit bezieht sich auf das Thema Starkregen. In den vergangenen Jahren haben solche Ereignisse mit Überflutungen von Straßen und Kellern zugenommen und große Schäden angerichtet. Städte, Kreise und Regionen erstellten digitale Starkregen-Gefahrenkarten. Auch in den Modell-Städten Köln und Dortmund liegen Regionen im roten Bereich. „iResilience“ will darauf aufmerksam machen. Denn die beste Gefahrenkarte nützt nichts, wenn sie niemand kennt oder richtig lesen kann.
Lokale Aktionsgruppen
Veranstaltungen beleuchten dann, was gemeinsam und was von jeder und jedem Einzelnen getan werden kann, um Haus oder Hab und Gut zu schützen. So entstand die Idee einer Keller-AG, die Gefahrenstellen in den Blick nimmt und Schutzmaßnahmen präsentiert. Ein*e Hauseigentümer*in kann vorstellen, wie ein Rückstau bei Starkregen durch einfache Maßnahmen wie eine Überlaufklappe verhindert werden kann. Es zeigt sich, dass auch einfache Tipps schon viel weiterhelfen: Regale höher stellen, die Nutzung tiefer liegender Räume überdenken, keine wichtigen Unterlagen oder Dinge am Boden lagern.
Die Wissenschaftler*innen wollen mit den lokalen Aktionsgruppen neuartige Formate finden und ausprobieren. Verhaltensänderung und digitale Entwicklung wirken dabei zusammen, wie bei der Hitze-App. Stephanie Bund findet es spannend, Menschen für dieses wichtige Thema zu begeistern, nachdem sie vor fünfeinhalb Jahren mit einem Projekt zur Energiewende an der Sozialforschungsstelle eingestiegen ist. Viele kleinteilige Themen müssen in den Kontext der Stadt eingeordnet werden, das ist die Herausforderung. Die Vernetzung mit allen wichtigen Akteur*innen gestützt durch je eine volle Stelle bei den Pilot-Städten macht das Projekt für sie so vielversprechend.
Die erprobten Strategien sollen wie auch die sozialen und digitalen Innovationen auf andere Kommunen übertragbar sein und sie widerstandsfähiger für die Zukunft machen.
Text: Susanne Riese
Zur Person
Stephanie Bund ist seit 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich „Transformative Governance in Stadt und Region“ an der Sozialforschungsstelle (sfs) der Fakultät Sozialwissenschaften der TU Dortmund. Seit 2018 hat sie zudem einen Lehrauftrag an der Fakultät Raumplanung inne.
Stephanie Bund ist Diplom-Umweltwissenschaftlerin und machte in Göttingen ihren Master in Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung. Bis 2014 arbeitete sie am Fachbereich Geographie, AG Europäische Regionalstudien sowie Kulturgeographie der Universität des Saarlandes.
Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Soziale Innovation in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Energiewende und regionale Klimafolgenanpassung. Seit 2018 koordiniert Stephanie Bund u.a. das BMBF-Verbundprojekt „iResilience“.