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Spotlight Forschung: Dr. Giulio Mattioli zum Young Academy Forschungspreis und interdisziplinären Arbeiten

„Ein Blick über den Tellerrand ist hilfreich“

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Porträt von Dr. Giulio Mattioli vor einem langen Bücherregal in der Bibliothek © Hesham Elsherif​/​TU Dortmund
Dr. Giulio Mattioli ist seit 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät Raumplanung.
Dr. Giulio Mattioli forscht an der Fakultät Raumplanung zur Verkehrspolitik und -planung oft aus interdisziplinärer Perspektive. 2023 wurde er für seine exzellente Forschung mit dem Forschungspreis der TU Dortmund Young Academy ausgezeichnet. Im Interview berichtet er von blinden Flecken in seiner Disziplin und dem Stellenwert von Drittmitteln zur Realisierung von Forschungsprojekten.

Herr Dr. Mattioli, womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Forschung?

Ich befasse mich mit gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen des Verkehrssektors, insbesondere bezogen auf Reisen mit dem Flugzeug oder Auto. In beiden Bereichen interessieren mich Abhängigkeiten, die eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren emissionsärmeren Verkehrspolitik erschweren – der sogenannte „carbon lock-in“. Dafür gibt es viele Beispiele, etwa die massiven Investitionen in fossile Brennstoffe oder Infrastrukturen, die sich vor allem am Auto orientieren. Außerdem konzentriere ich mich auf gesellschaftliche Entwicklungen, die in dem Forschungsfeld manchmal übersehen werden. Es gibt zum Beispiel eine ganze Reihe von Untersuchungen zu nachhaltigen Trends wie Elektromobilität oder alternativen Verkehrsformen, die das Erreichen der Klimaziele begünstigen – zweifellos wichtige Arbeiten. Aber gleichzeitig zeigt sich etwa auch folgender Trend: Der Absatz von SUVs steigt seit Jahren, Neuwagen werden im Durchschnitt immer größer und verbrauchen mehr Rohstoffe. Warum ist das so? Zu Trends, die der Nachhaltigkeit entgegenlaufen, gibt es vergleichsweise wenig Forschung.

Ihre Forschung wurde 2023 mit dem Preis der TU Dortmund Young Academy ausgezeichnet – wie kam es dazu?

Das Paper „Political Economy of car dependence“, mit dem ich mich beworben habe, stammt aus dem Jahr 2020 und hat in der Wissenschaft für viel Aufmerksamkeit gesorgt, was mich ehrlich gesagt selbst etwas überrascht hat. Denn eigentlich ist es vor allem ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Veröffentlichungen. Aber der Text hat einige Verbindungen zwischen unterschiedlichen Themenfeldern aufgezeigt, weshalb er für viele Leute offenbar hilfreich war. Zugute kam mir dabei vielleicht auch eine eher interdisziplinäre Arbeitsweise. Letztlich freut es mich, dass das Konzept der Automobilabhängigkeit damit auch in anderen Disziplinen eine größere Aufmerksamkeit erfuhr. Die Bewerbung für den Preis selbst war eigentlich relativ einfach: Neben dem Aufsatz sollte ich einen kurzen Absatz zum Impact der Veröffentlichung schreiben, meinen Lebenslauf und eine Publikationsliste einreichen. Also dachte ich mir, einen Versuch ist es wert. Die erste Bewerbung war nicht erfolgreich, aber mit etwas Feinschliff hat es dann beim zweiten Mal geklappt.

Welchen Stellenwert haben Anträge in Ihrer Forschung und welche Tipps haben Sie für die Antragstellung?

So einen Preis zu erhalten ist schön und ich habe mich natürlich sehr gefreut. Noch wichtiger sind aber die Anträge, die mir meine eigene Stelle sichern. Ein Großteil meiner akademischen Karriere wurde über Drittmittel finanziert, ohne diese Gelder wäre ich wohl gar nicht mehr in der Wissenschaft tätig. Natürlich ist das nicht immer einfach: Die Begutachtungszeiten können lang sein und Ablehnungen sind frustrierend. Andererseits: Drittmittel ermöglichen es auch, originelle Ideen und eigene Projekte umzusetzen, die es sonst vermutlich schwer hätten. Konkrete Tipps hängen sehr stark von Fördergebern und Ausschreibungen ab, die sollte man sich also genau ansehen. Ansonsten habe ich in allen meinen erfolgreichen Anträgen deutlich gemacht, dass es zwischen verschiedenen Disziplinen bestimmte Forschungslücken gab, die ich schließen wollte. Und um diese Lücken überhaupt zu erkennen, muss man interdisziplinär denken und forschen. Ein Blick über den Tellerrand ist hilfreich.

 

Zur Person

  • 2002-2009 Studium der Soziologie an der Università degli Studi di Milano Bicocca, Italien
  • 2009-2013 Promotion in Urban and Local European Studies, Università degli Studi di Milano Bicocca, Italien
  • 2013-2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Geosciences an der Universität Aberdeen, UK
  • 2014-2018 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institute for Transport Studies an der Universität Leeds, UK
  • Seit 2018 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund
  • 2023 Gewinner des TU Dortmund Young Academy Forschungspreises

 

Weiterführende Informationen:

TU Dortmund Young Academy 
Graduiertenzentrum TU Dortmund
Förderberatung des Referats Forschungsförderung

 

Alle Interviews der Reihe Spotlight Forschung: 
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